Piraten, Asyl und deutsche Schiffe
Eine Pressemitteilung der Ebersberger "BürgerInnen gegen den Krieg"
... auf der letzten Versammlung der BürgerInnen gegen den Krieg, bei der sie die Veranstaltungen im kommenden Jahr vorbereiteten, kam es zu einer längeren Diskussion über das aktuelle Problem Piraterie.
Asyl für Piraten auf deutschen Schiffen?
Bei kaum einem Thema liegen die romantische Verklärung und die Wirklichkeit so weit auseinander wie bei der Piraterie. Nicht nur Filme und die königlich gebilligte Erhebung mancher Freibeuter für ihre Taten in den Adelsstand tragen heute zur Verklärung bei. Gerade in Deutschland wird das Bild auch durch Klaus Störtebeker geprägt, einem Robin Hood der Meere, der von den reichen Hanse-Kaufleuten nahm, die Beute unter seinen Leuten gleichmäßig aufteilte und der Legende zufolge auch die Armen unterstützte.
Über die brutale Realität der Branche diskutierten die "BürgerInnen gegen den Krieg im Landkreis Ebersberg" auf ihrer Vorbereitungs-Sitzung im Dezember. Werner Schmidt-Koska schilderte kurz die Geschichte der Seeräuberei, bei der er auf den Warencharakter der Gekidnappten hinwies, der auch nicht erst in den letzten Jahren erfunden wurde. Schon immer, auch in den letzten Jahrzehnten stellte Piraterie in bestimmten Meeresgegenden, wie der Straße von Malakka, eine stete Bedrohung sowohl für Yachten als auch für Handelsschiffe und für deren Besatzungen und Gäste dar. Alfons Kühnstätter kritisierte: "Solange die Fangflotten der Industrieländer die somalische Küstenfischerei ruiniert und damit die Existenzgrundlage von zehntausenden Menschen in Somalia zerstört hatten, haben die deutschen Menschenrechts-Athleten von Grünen-FDP-CDU/CSU-SPD keinen Grund zum Einschreiten gesehen. Jetzt, weil die Profite u. a. auch von deutschen Reedereien in Gefahr sind, muss die Bundesmarine mal eben zum 'humanitären Einsatz' ans Horn von Afrika. Das ist Heuchelei pur!"
Eine neue Qualität bedeuten die wochenlange Entführung immer wertvollerer Schiffe und die Erpressung von Lösegeld in Millionenhöhe, die eine Verdreifachung von Versicherungsprämien oder erheblichen Kosten für den Selbstschutz zur Folge haben. Hinzu kommt die enorme Bedeutung des Golfs von Aden als Ausfahrt aus dem Suez-Kanal, insbesondere auch für den für die westlichen Ökonomien lebenswichtigen Erdöltransport. Schließlich ist Deutschland Exportweltmeister. Allerdings liegt Deutschland mit der Größe seiner Handelsflotte nur an 26ter Stelle in der Welt. "Wenn aktuell etwa neunzig Prozent der Schiffe deutscher Reedereien unter Billigflaggen fahren, um deutschen Gesetzen und Steuern zu entgehen und dementsprechend den eigenen Profit zu steigern, könnte sich natürlich so mancher deutscher Steuerzahler fragen, warum dann deutsche Kriegsschiffe auf Kosten des deutschen Steuerzahlers dafür den Begleitschutz stellen sollten", fragte Olaf Rautenberg, der selbst mehrere Jahre als Offizier bei der Bundesmarine gedient hat. "Wie ist das mit dem Asylrecht, wenn 90% der 'deutschen' Schiffe unter Billigflaggen fahren?." fragte Alfons Kühnstätter und stellte als Lösung vor: "Wenn wir das Geld, was der Militäreinsatz kostet, den Menschen in Somalia zum Aufbau einer neuen Existenzgrundlage schenken würden, wäre denen geholfen und die Piraterie hätte wohl auch ein Ende."
Besonders kontrovers diskutiert wurden die Möglichkeiten zum Schutz der Schiffe vor Überfällen. Yvonne Großmann, die mehrere Reedereien als Kunden betreut, berichtete, dass eine aktive Bewaffnung auf Handelsschiffen abgelehnt wird, eine Ausrüstung mit Nachtsichtgeräten und schusssicheren Westen aber verbreitet ist. Soweit fällt alles unter Nothilfemaßnahmen, zu der jeder Bürger berechtigt ist. Große Skepsis herrscht hingegen bei der Frage, was mit Gefangenen geschehen soll. Die verfassungsmäßige Trennung von militärischen und Polizeiaufgaben hat gerade in Deutschland gute Gründe. Unter dem Aspekt, dass keine Gefangenen gemacht werden, gewinnt der Abschuss eines zivilen thailändischen Schiffes durch indisches Militär besondere Bedeutung. Dass dabei über ein Dutzend Seeleute getötet wurde, kam nur durch das zufällige Überleben eines Opfers an die Öffentlichkeit. Wenn durch die Piratenjagd mehr Unschuldige stürben als durch die Seeräuberei selbst, würde ihr Zweck, mehr Sicherheit auf den Handelswegen, eindeutig konterkariert.
Wie schnell aus einem einmaligen Ausnahmefall der alltägliche Normalfall werden kann, hat man gerade bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr gesehen. Außerdem ziehen sich die Mutterschiffe der Piraten nicht nur in somalische Gewässer, sondern auch in die anderer Länder zurück.
Spätestens dann, wenn die Rolle der Hanse-Kaufleute durch deutsche Reeder und die von Störtebeker von somalischen Piraten eingenommen wird, ist die Romantik zu Ende.